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Baumängel, Minderung, Selbstvornahme, Ersatzvornahme

Selbstvornahme nach einer Minderungserklärung

Baumängel, Minderung, Selbstvornahme, Ersatzvornahme

Stellt der Auftraggeber Mängel fest, kann er vom Auftragnehmer (in der Regel nach dem Ablauf einer angemessenen Frist für die Mangelbeseitigung) unter anderem Minderung oder Kostenvorschuss für die Ersatzvornahme (also Mangelbeseitigung durch Dritte) verlangen. Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Kosten für die Ersatzvornahme auch nach einer Minderungserklärung verlangt werden können, der Auftraggeber seinen Anspruch also problemlos von der Minderung auf die Selbstvornahme umstellen kann. Der BGH hat sich zudem zur Frage geäußert, in welchem Fall unverhältnismäßig hohe Kosten für die Mangelbeseitigung anzunehmen sind.

BGH Urt. v. 22.08.2024 – VII ZR 68/22

1. Sachverhalt

Der Auftraggeber verlangt Kostenvorschüsse für die Beseitigung von Schallschutzmängeln, für die er zunächst eine Minderung der Vergütung gegenüber dem Auftragnehmer erklärt hat. Die erste Instanz ging davon aus, dass die Schallschutzmängel keine Auswirkungen auf den Wert der Immobilie hätten, weshalb sie nicht zu einer Minderung führen können. Die zweite Instanz hatte ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Ansicht. Daraufhin begehrte der Auftragnehmer statt der Minderung die Zahlung eines Kostenvorschusses für die Beseitigung dieser Schallschutzmängel.

2. Entscheidung

Nach der Ansicht des BGH liegen die Voraussetzungen für einen Vorschussanspruch vor. Der Anspruch sei nicht nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, § 635 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, die Mangelbeseitigungskosten seien nicht unverhältnismäßig hoch. Unverhältnismäßigkeit werde in aller Regel anzunehmen sein, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung unter Abwägung aller Umstände ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenüberstehe. Schallschutzmängel seien für die Qualität des Wohnens von wesentlicher Bedeutung.

Dass der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer zunächst Minderung der Vergütung erklärt habe, sei unschädlich, §§ 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB:

„Eine gesetzliche Regelung, wonach die Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs ausgeschlossen ist, wenn der Besteller die Minderung des Werklohns erklärt hat, existiert nicht. Weder § 634 BGB noch §§637, 638 BGB regeln, in welchem Verhältnis das Recht des Bestellers auf Minderung der Vergütung (§ 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 BGB) und die ihm zustehende Befugnis zur Selbstvornahme sowie sein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses (§ 634 Nr. 2, § 637 BGB) stehen. Nach dem Gesetzeswortlaut ist vielmehr davon auszugehen, dass diese Rechte nebeneinander bestehen können.“

Die Minderungserklärung schließe den Anspruch auf Nacherfüllung, großen Schadensersatz (statt der ganzen Leistung) und den Rücktritt aus. Die Kosten der Selbstvornahme und der kleine Schadensersatz (statt der Mangelbeseitigung) seien hingegen auch nach einer Minderungserklärung in vollem Umfang durchsetzbar.

Der Auftragnehmer sei nicht schutzwürdig, er habe in doppelter Weise vertragswidrig gehandelt, er habe weder ein mangelfreies Werk hergestellt noch sei er der Pflicht zur Nacherfüllung nachgekommen.