Doppelte Fristsetzung bei Mängeln in der Erfüllungsphase?

Gewährleistungsansprüche und doppelte Fristsetzung

Doppelte Fristsetzung bei Mängeln in der Erfüllungsphase?

Eine vor der Abnahme gesetzte Mangelbeseitigungsfrist kann ausreichen, um nach der Abnahme wegen derselben Mängel die Gewährleistungsansprüche geltend zu machen.

1. Sachverhalt

Das OLG Hamm (27.09.2022 – 24 U 57/21) hat sich mit der Frage befasst, ob die Fristsetzung für die Mangelbeseitigung vor der Abnahme ausreicht oder für die Entstehung des Anspruchs auf Vorschuss zur Mängelbeseitigung (§ 637 BGB) nach der Abnahme eine erneute Mangelbeseitigungsrist gesetzt werden muss.

Nach der Fristsetzung zur Mangelbeseitigung erklärte der Auftraggeber im zugrundeliegenden Fall die Abnahme; danach hat er keine weitere Frist gesetzt.

2. Argumentation des Gerichts

Das Gericht hat entschieden, dass eine vor der Abnahme bei Fälligkeit des Erfüllungsanspruchs gesetzte Frist, die den Auftragnehmer zur Herstellung eines mangelfreien Werks auffordert, ausreichend ist. Für den Anspruch auf Vorschuss gemäß § 637 BGB muss nach der Abnahme nicht erneut eine Mangelbeseitigungsfrist gesetzt werden. Das Gericht argumentiert dabei mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Gewährleistungsrechten vor der Abnahme (BGHZ 213, 349 Rn. 47): Bereits ein Vorschussverlangen könne unter bestimmten Umständen zu einem Abrechnungsverhältnis führen. Die Fristsetzung im Zeitpunkt der Fälligkeit des Erfüllungsanspruchs reiche daher aus. Die Wiederholung der Fristsetzung nach der Abnahme sei nicht erforderlich.

Als weiteres Argument führt das Gericht die vom BGH angenommene Einheitlichkeit von Erfüllungsanspruch und Nacherfüllungsanspruch (vgl. OLG Hamm NJW 2019, 3240 Rn. 85 mwN) an. In der Konsequenz müsse dann auch eine Fristsetzung, die bei Fälligkeit des Erfüllungsanspruchs gesetzt werde, für den Nacherfüllungsanspruch ausreichen, soweit deren Inhalt identisch sei.

3. Rechtliche Beurteilung

Die Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche, etwa der Ersatzvornahme, setzt in der Regel den fruchtlosen Ablauf einer Frist für die Mangelbeseitigung voraus, da der Auftragnehmer eine Chance erhalten muss, die Mängel nachzubessern, bevor der Auftraggeber weitergehende Rechte geltend machen kann. Ob eine vor der Abnahme gesetzte Frist hierfür ausreicht oder die Fristsetzung nach der Abnahme zu wiederholen ist, ist streitig.

Nicht nur in den Fällen der Abnahme, sondern auch (und erst recht) im Fall des Abrechnungsverhältnisses erscheint die erneute Fristsetzung für dieselben Mängel als reine Förmelei. Durch die Fristsetzung in der Erfüllungsphase erhält der Auftragnehmer eine ausreichende Möglichkeit, die Mängel zu beseitigen. Ein berechtigtes Interesse an einer weiteren Fristsetzung für dieselben Mängel nach der Abnahme hat er nicht. Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn der Auftragnehmer etwa aufgrund der (vorbehaltlosen) Abnahme, also der Hinnahme und Billigung des Werks als im Wesentlichen vertragsgerecht (vgl. MüKoBGB/Busche BGB § 640 Rn. 2 m. w. N.), davon ausgehen kann, dass der Auftraggeber die Mangelbehauptungen nicht weiter aufrechterhält.

Aus der Sicht des Auftraggebers erscheint die doppelte Fristsetzung, also die erneute Fristsetzung nach der Abnahme, zur Vermeidung des oben beschriebenen Meinungsstreits sinnvoll, soweit sie noch möglich ist.